Bitte ein ganz normales Fahrrad

Diese Glosse könnte eine ganze Reihe Überschriften haben, sowas wie "Salz in der Suppe", "Wasser auf Mühlen" oder "Das gibt´s nur einmal, das kommt nie wieder".


Ein hübsches Geschichtchen mit einem hübschen Ausgang, zumindest wenn Sie sich in einen Fahrradladen reindenken, der zuvorderst und zumeist die Brot-und-Butter-Kisten vom Viertel in Betrieb hält:

Eines frühen Samstagmorgens steht ein Herr in meinem Schaufenster, einen Rahmen über der Schulter und eine Gabel in der Hand und schaut sich um. Der Mann war um die Uhrzeit, sehr im Gegensatz zu mir, schon ganz wach und stellte sich vor als Herr Doktor B. aus Bonn. Er habe ein Weilchen und auch im weiten Kreise herumgeguckt und fände eben Düsselrad würdig und recht, ihm seinen alten Rahmen wieder auf Räder zu stellen. Später erfuhr ich von ihm, das es eine Alternative gegeben hätte, aber die säßen in Neu-England, und da ist eine Menge Wasser zwischen.


Es ehrt mich ja immer, wenn Leute manchmal viele Kilometer zurücklegen, um meine bescheidene Hütte zu besuchen, und auch dieser Kandidat hatte sich hundert Kilometer rheinabwärts begeben, um sein Anliegen vorzutragen:

Er habe da diesen Rahmen, den habe er schon lange und mit dem sei er immer sehr zufrieden gewesen. Allerdings habe er es leid, immer bucklig auf einem Rennrad zu hocken, der ganze Schnodder sei nun fort und ausgeweidet, der Rahmen frisch lackiert und nun wünsche er sich "ein ganz normales Fahrrad".

Ein wenig Interview brachte die Einsicht, das er eigentlich gerne einen Holländer hätte, die Sache im hügeligen Bonn allerdings ein paar Tafeln Schokolade weniger wiegen solle.


Und so wurde mir klar, das es diesmal andersherum laufen würde: Ich kann zwar Ratzfatz aus einem Holländer eine Angriffswaffe bauen, das ist ohne weiteres meine Natur, aber pfropfe umgekehrt den ganzen Lastwagen mal auf so ein spiddeliges Rennding drauf!

Wir haben hier eine Woche darüber nachgedacht und dann begonnen, ziemlich teuer einzukaufen: Schlanke, hochbordige Hohlkammerfelgen in Seidenmattschwarz mit linierter Bremsfelge, dazu geöste, ebenfalls schwarze Doppeldickendspeichen in verchromten Nippeln, schwarze Deore-Naben, vorn mit Leichtbau-Nabendynamo, dazu Griffe, Sattel und Spritzlappen aus hellem, englischem Leder, ein umgebauter Trekkinggepäckträger von einer noblen Adresse und -natürlich!- Hollandradschutzbleche, hinten mit weißem Endstück, hurra, gerade wie sich das gehört!


Im Bild oben habe ich mir den Rohbau mal als Denkhilfe aufs Kundenbetreuungssofa gestellt. Nicht im Bild der Karton mit der Restbaustelle und der eher vage Plan. Zumindest die cremefarbenen 37er Schwalbereifen gefielen mir schon gut an all dem Schwarz.

Dann kam die Sache mit dem Karton: Nun biege dem ollem Rennerle mal bei, sowas bei sich zu behalten.... Holland-Schutzblechstreben an Schnellspannachsen, ein anständiger Kettenschützer, knackige Bremsen, wir haben gefeilt und gefummelt, das es eine Freude war, bis die Siebensachen klapperfrei angebracht waren. So richtig mit Rahmenkabel-verlegen-und-allem.


Hier nimmt die Sache langsam Gestalt an. Träger, Seilzüge, Kette und Bremsen fehlen noch. Bereit für den Auftritt der Detailteufel: Erst ganz stolz gewesen auf meine Eigenbau-Gepäckträger-Halterung über die Bohrung für die alte Seitenzug-Rennbremse, um dann zu merken, daß das Seil der nachgerüsteten Avid-V-Bremsen genau - ganz genau! - in dieser Flucht liegt. Und bitte neu machen, aber irgendwann ging das:


Nach vier Wochen war die Sache über die Bühne und der Kunde war sehr zufrieden. Die Sache hat ihm so gut gepasst, das nicht einmal Sattel und Lenker eingestellt werden mussten. Er lobte das gute Aussehen und sprach uns das allerhöchste Zweiradkompliment aus:

"Eigentlich fühle ich mich so, als hätte ich hier schon immer gesessen."

Ach, herrlich.

Wenn Sie die Bilder anklicken, werden sie größer und Sie haben einen besseren Blick. Eintausendundachtzig Euro habe ich dem Mann bemessen für diese Arbeit, für denken und schrauben und Ausstattung und heute mag ich das mal vorzeigen.

Falls Sie eine Meinung dazu haben, wäre ich Ihren Kommentaren nicht abgeneigt, schließlich sind das ja alles meine höchst subjektiven An- und Einsichten.

Gruß vom Düsselrad!