*THE EMPIRE STRIKES BACK*: ATLAS SUPERIOR GENTS BICYCLE RESTOMOD

"Könnten Sie mir das hier fahrbereit machen?"


Am einem lichten Frühsommertag steht eine ältere Dame auf dem Hof und hält ein indisches Atlas-Fahrrad am Arm. Fast fabrikneu, wunderbar Bentley-grün und natürlich vollkommen "inne Fritten", wie mein kohlenpottschnäuziger Schrauberspezi zu sagen pflegt. Hufeisenbremsen, die gestern schon von gestern waren, und dazu als Billigreplik, eine nach den ersten fünfhundert Metern abgerissene Kette und gefühlt ein halber Meter Lagerspiel allerorten. Man einigt sich auf den Versuch, vor allem das Lagerspiel der hinteren Nabe so weit in den Griff zu kriegen, daß eine weitere Instandsetzung sich lohnt.

Wochenlang stand das schöne, untote Ding danach vor meiner Nase, die Radnabe und das restliche Allernötigste gerichtet, aber von der Besitzerin wohl vorübergehend vergessen. Zeit genug, sich schlimm zu verlieben. Schließlich kam die Kundin, gab sich unverhohlen unzufrieden mit meinen Ergebnissen und fragte wenig später, ob sie das Fahrzeug nicht sofort und vor Ort aufgeben könne. Ganz klar, die wollte bloß nicht zahlen. "Aber ja." In sämtlichen Zellen von mir, die für Unfug und British Racing Green zuständig sind, ging die Sonne auf. Irgendwie würde ich dem Ding schon beibiegen, erst schneller und dann auch wieder langsamer zu werden.


Als erstes, soviel war klar, würden Laufräder und Bremsen rausfliegen. 571er Westwoods, sechsundzwanzig mal drölfsechzehntel Zoll - irgendein imperialer Spleen, mit dem heutzutage keiner mehr arbeiten kann und für den es auch keine Reifen mehr gibt. Zumindest nicht auf dem Kontinent. Ich kenne 584er von den Kronan-Rädern, aber bei 571ern ist auch bei mir definitiv Schluß.

Also raus das Zeug und neue Räder gebaut. 559 mm entsprechen "normalen" 26 Zoll, gleichen wir die Differenz eben mit Ballonreifen aus, die passen so eben in die Schutzbleche und danach ist die Gesamtbauhöhe des Laufrades wieder original. Fast auf den Millimeter. Und genau das klitzekleine Quentchen fetter, das ich so gern mag!

Die Westwood-Edelstahlfelgen wurden in Rahmenfarbe gepulvert und mit modernen Radnaben bestückt. Für vorn ein Nabendynamo und eine Rollenbremse, für hinten eine Shimano-Achter mit Rücktritt. Dazu dicke Edelstahlspeichen und hübsche, neue Hutmuttern.


Ein teurer Spaß war das, und lose zusammengesteckt sah es auch wirklich schon fein aus, aber die Sachen wollten natürlich erstmal überhaupt nicht zusammenpassen.

Auftritt der Detailteufel, und mit Macht. Gabelschelle für die Rollenbremse? Fehlanzeige, bei der Gabelkrümmung. Selbermachen. Gangschalthebel an einem kurz gekröpften Lenker voller Bremsgestänge? Never! Aber: Er passt recht unauffällig an die Vorbaustange und fasst sich sogar gut an. Rücklichtkabel außen und trotzdem unsichtbar? Klar, mit einer langen Spiralfeder längs des Unterzuges. Wie bei den Pilen-Rädern vorn am Steuerkopf.

Zwischenzeitlich wurde alles, was an Schrauben noch originalimperial war, den Ahnen übergeben und gegen gute deutsche metrische Edelstahlware ersetzt, das Kettenblech hintenrum gestutzt und der japanischen Schaltnabe ein ihr unbekanntes Fichtel-und-Sachs-Ritzel verpasst, welches alt und dick genug war, die dicke fette Wippermannkette zu führen, die ich für das rustikale vordere Kettenrad brauche.


Alles weitere war ein Klacks: Einen naturledernen Brookssattel drauf, eine passende verchromte Luftpumpe und eine kleine Lefa-Rahmentasche dran, alles poliert und gewischt und justiert - und fertig war (m)ein kleiner stählerner Traum mit doppeltem Oberzug und glänzender Miller-Lampe am Karbidlampenhalter.

Ein halbes Jahr hat das unterm Strich gedauert und heute, an einem lausigen und nassen, grauen Novembertag war Rollout und Fototermin im Schaufenster.

Ich genieße das gerade sehr.